Gut, dass wir die nette Dame an der Rezeption rechtzeitig gefragt haben, wie lange wir von unserem Hotel bis zum Busbahnhof brauchen. Denn wer rechnet denn damit, dass wir erst mit einem Taxi 2 (!) Stunden dahin fahren müssen. Das hat nicht unbedingt etwas mit der Entfernung, sondern mit dem Verkehrsaufkommen zu tun. Zu Hause wären wir für diese Fahrt ein Vermögen los – hier bezahlen wir etwa um die 7 Euro.
Endlich angekommen, besteigen wir pünktlich den JJ Express Bus und sind mehr als positiv überrascht. Breite, zurücklehnbare Sitze, Decken, Bildschirme mit Film und Musikprogramm – da kann sich Flixbus noch was abschauen. Wir werden freundlich von unserer „Stewardess“ begrüsst, bekommen ein Erfrischungsgetränk und einen Snack und los geht die 12 stündige Nachtfahrt.
Die ersten Stunden verlaufen super, wir vertreiben uns die Zeit mit dösen und „Findet Dorie“ schauen und haben ausreichend Stopps an Raststätten (ein Erlebnis für sich). Als wir eigentlich schlafen wollen, beginnt die kurvenreiche, holprige Strasse abseits des Highways und wieder einmal muss ein „Superpep“ Kaugummi bei mir gegen die Übelkeit herhalten.
Um 5.30 Uhr sind wir dann endlich an unserem Ziel: Nyaung-Shwe – gelegen auf 889 m. Wir steigen aus und es stockfinster und bitterkalt (15 Grad). Die wenigen Menschen die um die Uhrzeit rumlaufen tragen dicke Winterjacken und Wollmützen und sind Tuk-Tuk Fahrer. Wir lassen uns zu unserer Unterkunft bringen und sind heilfroh, dass dort um die Uhrzeit jemand wach ist und uns sogar schon ins Zimmer lässt. Wir frühstücken bei Sonnenaufgang (und allen warmen Klamotten die wir dabei haben) und legen uns bis mittags schlafen.
Bei strahlenden Sonnenschein und wieder angenehmen 27 Grad können wir unsere Unterkunft (eine Art Fort, das etwas ausserhalb des Dorfkerns liegt) und die Umgebung erkunden. Wir dürfen uns kostenfrei die Fahrräder nehmen und fahren erst einmal zum Pancake essen.
Das kleine, lebhafte Städtchen ist das „Tor“ zum Inle See. Hier starten die meisten Bootstouren und es gibt eine große Auswahl an Unterkünften, Restaurants und es begegnen uns hier eindeutig mehr Touristen als in Yangon.
Wir radeln an einem Anbieter für Fahrradtouren vorbei und entscheiden uns spontan dazu am darauffolgenden Tag die Umgebung mit ihm per Fahrrad, Kanu und Boot zu erkunden. In dem kleinen Laden gibt der Besitzer gerade 3 jungen Frauen Englisch-Nachhilfe. Wir setzen uns kurz dazu und halten eine sehr einfache Konversation über Lieblingsfarben, Hobbies und Musik.
Wir gehen zeitig schlafen, denn wieder einmal klingelt der Wecker viel zu früh. Um 8.00 stehen wir nämlich bereits am vereinbarten Treffpunkt, an dem wir neben zwei anderen Pärchen (aus der Schweiz und von Mallorca) unseren Guide Sam treffen. Wir steigen auf unsere topmodernen Mountainbikes – eine Wohltat im Vergleich zu den Drahteseln die wir hier sonst immer fahren – und radeln durch den Ort in Richtung Landschaft.
An einer Zuckerrohrfabrik machen wir Halt. Genauer gesagt können wir neben einem Feld sehen, wie unter einem Bambusdach Melasse hergestellt wird. Der dunkelbraune, zähflüssige Sirup aus Zuckerrohr wird hier eingekocht und für die Rumherstellung vorbereitet. Der Geruch der hier in der Luft liegt, erinnert uns irgendwie an Ketchup – vielleicht weil dort auch so viel Zucker drin ist.
Wir schauen dem Familienbetrieb kurz über die Schulter und probieren ein bisschen. Dann treten wir wieder in die Pedale, bis wir in einem weiteren kleinen Ort ankommen, in dem an jeder Ecke in den Häusern etwas anderes zum knabbern hergestellt wird. Wir schauen einer Frau dabei zu wie sie Reiscracker herstellt, besuchen eine Bäckerei die eine Art Zwieback herstellt und können sehen wie überall Nüsse, Kerne und Samen zum austrocknen ausgelegt sind.
Überall wo wir auftauchen und entlang radeln rufen die Menschen uns ihr freundliches „Mingalabar!“ zu und vor allem die kleinen Kinder freuen sich immer wahnsinnig uns zu sehen und zu grüssen. Da ich aus der Begegnung mit den Dorfkindern in Laos gelernt habe, schleppe ich jetzt immer ein paar Stifte mit Prinzessinenmotiv mit mir rum und verteile die gerne an nette Kinder.
Bei Reiswein (um 11 Uhr morgens!), Salaten und Reiscrackern sitzen wir unter den Einheimischen in einem kleinen Lokal am Strassenrand und plaudern mit Sam und unseren Mitradlern über Gemeinsamkeiten und Unterschiede unserer Heimatländer.
Anschliessend geht es auf schmalen Wegen zwischen Reisfeldern, Drachenfrucht- und Betelnussplantagen weiter bis wir nach insgesamt 22km Fahrradtour am See ankommen. Die Fahrräder werden auf ein kleines, schmales Boot mit Außenbordmotor gepackt und wir düsen los.
Der etwa 22 km lange nicht sehr tiefe (maximal um die 3,7m ) Süßwassersee liegt malerisch umgeben von den Bergen. Wir fahren vorbei an den berühmten Einbeinruderern und bewundern ihre Technik, wie sie mit nur einem Bein das Paddel und somit das Kanu steuern.
Innerhalb des Sees und am Seeufer gibt es viele kleine Dörfer. Die einfachen Häuser sind auf Pfählen gebaut. Um zu der Schule, dem Kloster oder der Bücherei zu gelangen, rudern die Bewohner hier mit dem Boot entlang.
Die Bevölkerung lebt hier aber vor allem vom Gemüseanbau. An den „schwimmenden Gärten“ fahren wir vorbei und staunen wie genial hier Tomaten, Gurken und Blumen angebaut werden. Basis dieser Felder ist eine sehr fruchtbare, feste Masse bestehend aus Sumpf, Erde und Wasserhyazinthen, die mittels Bambuspfählen am Seeboden befestigt sind. Die Pflanzen gießen braucht hier keiner – wie praktisch!
Nach etwa 20 Minuten kommen wir bei „Grandmas Kitchen“ an. Ein Restaurant in einem dieser Dörfer auf dem See. Hier wird uns wirklich ein unglaublich leckeres, burmesisches Essen aufgetischt: Shan Nudelsuppe, Reis mit Kräutern im Bananenblatt, Gemüse im Tempurateig ausgebacken, fermentierte Tee-Blätter mit Nüssen und Knoblauch…köstlich!
Frisch gestärkt geht es danach ins Kajak. Maddis und ich sind ja eigentlich mittlerweile geübt darin, aber so manchmal schlagen wir doch noch aus dem Takt. Als Paar Kajak zu fahren ist wirklich ein Test für eine Beziehung (oder eine Fahrt zu Ikea). Wir belegen leider nur Platz zwei bei dem kleinen Wettrennen zwischen uns Pärchen, manövrieren uns dafür aber ganz gut durch die „Floating Villages“. Auch hier winken uns Alt und Jung wieder freundlich aus ihren Häusern zu.
Nach dem Paddelspaß steigen wir wieder um auf die Boote. Bei einem wunderschönen Sonnenuntergang fahren wir vorbei an den Fischern zurück nach Nyaung-Shwe und lassen den Abend bei einem guten Myanmar Bier ausklingen.
Als wären wir am Vortag nicht schon genug geradelt, schwingen wir uns am nächsten Tag auch wieder auf die klapprigen Fahrräder unser Unterkunft. Diesmal ist unser Ziel die „Forrest Monasterie“ – einer Empfehlung des Reiseführers. Leider stand da nicht drin, dass wir dafür einen ziemlich steilen Berg hoch müssen. Wir parken die Fahrräder und wandern das letzte Stück hoch. Oben angekommen haben wir einen ganz guten Blick über den See. Die goldene Stupa ist ganz nett – aber irgendwie den Weg nicht wert. Auf dem Rückweg kehren wir auf halber Strecke ein und haben bei einem kleinen Mittagessen eine noch viel bessere Aussicht auf den See.
Noch einmal fahren wir zu einem Dorf am See und kommen auch dort wieder mit ein paar Einheimischen ins Gespräch. Deutschland ist bei denen vor allem für Fussball bekannt.
Und auch den letzten Tag in Nyaung-Shwe verbringen wir auf unseren Rädern und besuchen das Teakholz Kloster Shwe-Yan-Pyay, in dem wir zwar gerade keine Mönche antreffen, dafür aber eine Horde Kinder, Katzenbabys und Hunde. Auch hier verteile ich wieder meine Stifte und ernte glückliches Lächeln und ein „Jay zu bah“ (Danke auf burmesisch).
Wir relaxen den Nachmittag über auf der Dachterasse unseres burgähnlichen Hotels und warten auf unseren Pick-up der uns zum Bus bringt. Mit dem JJ Express geht es über Nacht nach Bagan!
… Du solltest vielleicht doch zusammen mit Rainer Reiseberichterstatter werden. Da eure Erlebnisse sehr abwechslungsreich und Deine Berichte deshalb umfangreich sind, wird es mir nie langweilig! Stets begierig zu erfahren, was ihr nich tolles erlebt und kennen gelernt habt, lese ich weiter. Diese Reise wird euch verändern (ich denke zum Positiven)! Bis bald (in der ebenfalls kalten Heimat) ….
Ja, ich denke auch das uns diese Reise verändert hat. Wir haben nicht nur viel über andere Länder und Religionen, sondern auch über uns gelernt.
Ich schließe mich deinem Papa an. Zwar kenne ich Rainer nicht aber du schreibst ganz gsnz wunderbar. Bin jetzt schon einer deiner größten Fans: )
Danke liebe Inés! Rainer ist mein Onkel und schreibt ebenfalls gerne!
Freut mich, dass euch das Lesen Spaß macht! Bald berichte ich euch live von unseren Erlebnissen!